Division

Ich bewege einen Graphitstift auf dem Blatt. Der rasch wiederholte Niederschlag des Stifts auf das Papier wird weniger visuell gesetzt als akustisch getaktet. Das rhythmische Stricheln erzeugt ein wechselndes Klopfen, Kratzen, Tröpfeln oder Prasseln, dem es wiederum folgt. Mit der Hand fahre ich dabei über das ganze Blatt – so verdichten, streuen oder vereinzeln sich die Spuren. 

Andere Blätter entstehen, wenn die Hand den Stift nicht umgreift, sondern diesen nur an seinem Ende, zwischen den Fingerspitzen, hält. Wenn ich den Stift unter Druck schnell vor und zurück bewege, bricht der beschleunigte Strich jedes Mal ein Stück weit aus. 

Ein solches Blatt (1) wird auf ein leeres (0) gleicher Größe gelegt. Die Striche werden, so genau wie möglich, ihren Rändern entlang mit einem Skalpell umschnitten, beide Blätter in einem. Der trennende Schnitt zwischen Strich und Umgebung zeichnet die Konturen der Striche auf Blatt 1 nach, umschreibt und überträgt sie gleichzeitig auf Blatt 0. Auf beiden Blättern entstehen kongruent die gleichen Schnittsilhouetten – circumscriptiones – , in denen sich das Papier auslösen und entfernen lässt. Wenn ich so die Striche von Blatt 1 tilge, übertrage ich zugleich ihre Umrisse auf das leere Blatt, auf beiden Blättern entstehen Leerstellen, Negative. Die Strichmenge wird subtrahiert – fällt aus – und verdoppelt sich, als Komplement der Zeichnung, auf beiden Blättern.

Die Blätter werden wieder voneinander dividiert. Die Leerstellen sind die selben – die Blätter gleichen sich darin – sie unterscheiden sich durch beiläufig entstandenen Arbeitsspuren auf Blatt 1: den Abrieb der Hand, den Reliefs und Graten erhabener Schnittränder und den etwas größeren Durchbrüchen, Blatt 0 bleibt davon unberührt.

Beide Blätter werden, mit einem kleinen Abstand zueinender (der etwa der Breite der Fehlstellen entspricht) nebeneinander fixiert. Zwei unterschiedene Blätter sind, in ihren Fehlstellen, gleich und gleich, eins.