Avers
Im Kontext des ‚Prix d'Art Robert Schuman‘
Notizen zum Wandbild ‚avers’
Avers (von lat. adversus), ist die dem Betrachter zugewandte Seite (einer Münze, Medaille, einer Flagge, oder einer Spielkarte); avers, als Adjektiv (lat. aversus), steht für abgewandt, widerwillig, gegensätzlich.
Solang er sich nicht im Kontext eines Satzes zeigt, steckt in dem Titel beides: das Zu- und das Abwenden, das heißt, er umfasst stets auch das Gegenteil und bedeutet beides, beiderseits, hat beide Seiten im Sinn und verwandelt sich – je nach Hinsicht und Bewandtnis.
Die Ausstellungswand ist ein freistehender Baukörper im Ausstellungsraum, die beiden kurzen Seiten bleiben so wie sie sind. Indem ich die beiden langen Wandseiten mit farbigen Papierstreifen auskleide, werden diese zu bewegten Bildfeldern mit zwei Aspekten, ab- oder zugewandt.
Indem ich die Wandseiten verhülle, löst sich die Gegenständlichkeit ihrer Grenzflächen vielflächig auf und flattert im Luftzug beim Vorübergehen, zeigt (und verbirgt) sich durchlässig, unverwandt offen.
Die Farbe ist Material, leuchtkräftig und diaphan, geschichtet. Die einzelnen Streifen, zu Rechtecken geschnitten, gleichen dem Gestus einzelner Pinselstriche, zitieren eine Art der Malerei, ihre Zeilenordnung folgt den Rändern der Wand, wiederholt diese (lose Bildpunkte, Pixel, Simulakren, Bildhäute, die sich von ihrem Gegenstand wieder lösen, wie die Abblätterungen von den Gegenständen im Sehen und Wahrnehmen bei Lukrez).
Die Streifen werden auf dem Wandgrund fixiert, bleiben aber unverbundene Einzelheiten, Schwärme aus Blätterungen, die sich dem Blick aber als Einheit zeigen: farbkräftig, durchscheinend, empfindlich, volatil, reaktiv. Die Streifen sind in Schichten so übereinandergelegt, dass sie sich hälftig überscheinen und zeigen. Zugleich zeigt sich das Bild aus vielen als gemacht, temporär, einmalig, empfindlich und ephemer (nicht monumental).
Auf der Vorderseite: Zwei große Farbfelder, die neben einander stehen und dem Raum eine weilende Mitte geben. Gelb/hellgelb als fast gleiche Farbe, die sich wiederholt und in ihrer Helligkeit etwas differenziert: nebeneinander, graduell, aber auch durch die zig Schuppen, deren Partition und Überlappung, Schattenbildung und Transparenz, welche die weiße Wand durchscheinen lassen. (Und wenn man von außen schaut, sieht man das Wandgelb durch die Fenster, als Hintergrund von zwei blauen großen Bildmosaiken, die in der Scheibenfront Teil des Gebäudes sind).
In die gelbe große Bildfläche sind drei vertikale Linien gesetzt, mit einem dicken schwarzen Marker gezeichnet, sie wiederholen die Wandkante und die Farbgrenze: Jede Linie ist nur vermeintlich ein Zug. Sie setzt sich ebenso aus einzelnen Papierstreifen zusammen, die sich teilweise überlappen, sodass sich die Linie durch die semitransparenten Papiere immer auch noch einmal verdoppelt.