Panoramamembran

Die Wände sind ganz mit einer Innenhaut aus Einzelblättern ausgekleidet, die wie bewegliche Schuppen auf der Wand aufgenadelt sind. Blatt an Blatt gewanden und verhüllen sie Spuren und vergrauten Putz, fugenweise Wand freilassend. Der Raum erscheint wie neu, aber kein Weißeln und Tünchen markiert Einzug, es ist eine Ausstellung, die als vorübergehender Einschub oder Inzwischenraum Demarkationen und Spuren verdeckt, Raum neutralisiert – und initialisiert, und doch stellenweise durchschauen lässt, wie eine semipermeable Membran.

Allem voran geht ein Vermessen, Ausschreiten, Abzählen, Loten und Berechnen der Wandflächen, der Fenster, der Lampen. Den Raum dann mit weißen Papieren zu bestücken ist, als ob ich ihn mir damit – Blatt für Blatt – auch aneigne, ihn mir anverwandle. Wie eine mobile Tapete sind diese leeren Blätter, diese Weiß- und Leerbilder, mögliche Bilder, sind decorum – Angemessenheit. Ich tapeziere den Raum, verhülle ihn mit Leerblättern, welche Raum angeben und leeren, sowie sie ihn füllen.

Gezeichnet habe ich dann schrittweise einen Horizont ringsherum, der den Raum einfasst, dessen Saum sich aber strichweise auflöst in Baumwipfel, Gräser, Heue, Reif-Hieroglyphen und ein ganzes Panorama aus Forken, Mostbirnen und Fliegen auf der Milch.

Diese Zeichnungen, die sich nun über das ganze Blätterraster hinwegzogen, habe ich dann genauestens ausgeschnitten und herausgelöst – relief – erleichtert. Die Linien wurden Löcher, wurden Leerzeichen. Abwesenheit lässt die Zeichnung anwesend werden, und es stellt sich eine Erinnerung ein an etwas, dass man nicht gesehen hat – Nachbilder unversehen. Etwas wird durch sein Verschwinden gegenwärtig und zeigt an solchen Stellen Wand. Fehlstellen demarkieren den Raum, seine Haut tritt wieder – à jour – zu Tage. Raum und Arbeiten durchdringen einander und machen sich gegenseitig sichtbar.